2. Ökumenischer Kirchentag in München

Malte Surmeier berichtet aktuell vom Kirchentag aus München

Vom 2. Ökumenischen Kirchentag in München (12. - 16. Mai 2010) berichtet unser Schülerreporter Malte Surmeier (Jgst. 13) für uns.

Der Bericht ist täglich weitergeschrieben und nach dem Kirchentag mit Fotos ergänzt worden.

12.05.2010 – Ein erstes Lebenszeichen aus München

Nach den ersten anderthalb Tagen des 2. Ökumenischen Kirchentages 2010 drängt die Informations-, Input- und Unterhaltungsflut geradezu darauf, wohl gefiltert der nicht direkt teilnehmenden Welt nähergebracht zu werden.

Unsere Ankunft verlief unproblematisch und ausgesprochen pünktlich. Den festlichen Auftakt, den großen ökumenischen Eröffnungsgottesdienst auf der Theresienwiese, konnte ich leider dennoch nicht mitverfolgen. Für uns Kirchentagsreporter stand zuallererst auf dem Programm, sich den Presseausweis im Pressezentrum abzuholen. Was zunächst nicht sonderlich zeitaufwendig erscheint, erwies sich als Kurztrip durch halb München, da sich das auf dem Messegelände gelegene Pressezen18 Meter hohes Kreuz auf der Theresienwieserum im Gegensatz zur Theresienwiese ganz am Rand der Landeshauptstadt befindet. Ein ausführlicher Bericht über den eigentlich obligatorischen Eröffnungsgottesdienst muss deshalb an dieser Stelle leider entfallen. So viel sei aber gesagt: Der Auftakt war offensichtlich stimmungsvoll und das Wetter war nicht gut, aber immerhin trocken.

Bayerische Blasmusik zum Abend der BegegnungDie Massen strömen in die AltstadtWir erreichten die Theresienwiese mit Abschluss der Eröffnungsfeierlichkeiten und stiegen dann sofort in den Abend der Begegnung ein. Mehrere bayerische Blaskapellen begleiteten die Besucher auf ihrem Weg von der Theresienwiese in die Münchner Altstadt. Auf allen großen Straßen in dieser Richtung flossen die Massen nur so dahin, begrüßt von Musikern am Straßenrand und interessierten, aus Fenstern winkenden Anwohnern.

Auftritt der LatinogemeindeInsgesamt war die Atmosphäre überaus freundlich und offen und gleichermaßen ging es dann in der Altstadt weiter. Auf über die ganze Altstadt verteilten Bühnen wurde vor allem Musik dargeboten, interessant und neu hier zum Beispiel ein Lobpreis-Event der Latino-Gemeinde München, die Tanzeinlagen bot und gemeinsame Anbetung auf Spanisch anbot.

,,Viva Voce'' beim Abend der BegegnungZu begeistern wusste die fünfköpfige A-cappella-Combo „Viva Voce“. Vier Franken und ein „eingebürgerter“ Saarländer rockten in Anzügen stil- und stimmungsvoll den Altstadtring mit Coverversionen bekannter Popsongs, wie etwa „Let me entertain you“ oder „Get this Party started“ und Eigenkompositionen zu ÖKT und Fußballweltmeisterschaft. Gesanglich flexibel und auf höchstem Niveau wurde verkündet, dass der Ökumenische Kirchentag etwas ganz Wunderbares sei und ab Sommer der vierte Stern auf dem deutschen Nationaltrikot prangen werde. 

LichtermeeerNach dem fulminanten Straßenfest, auf dem nicht nur kulinarische Spezialitäten aus allen Regionen Bayerns angeboten wurden und das den Abend tatsächlich zu einem begegnungsreichen machte, wurde es andächtig im Altstadtring. Um etwa 22 Uhr wurde auf allen Bühnen der Abendsegen gesprochen, atmosphärisch großartig aufgewertet durch sphärische, durch die Stadt schallende Trompeten- und Posaunensignale. Zum offiziellen Ausklang wurden Kerzen verteilt und ein riesiges Lichtermeer sang „Bleib bei mir, Herr“. Ein sehr bewegender Moment.

Spontanchor aus BielefeldObwohl damit offiziell abgeschlossen, war ein begegnungsreicher Abend damit längst noch nicht vorbei. Auffällig waren vor allem die vielen kleinen Grüppchen, die sich bildeten und noch lange a cappella oder von Lagerfeuerinstrumenten begleitet christliches Liedgut zum besten gaben, darunter auch ein mehrstimmiger Spontanchor aus Bielefeld-Mitte. 

Der erste Abend war damit trotz verpasstem Abschlussgottesdienst ein eindrücklicher Auftakt für einen sich hoffentlich gleichermaßen fortsetzenden ökumenischen Kirchentag 2010.

13.05.2010 – „Einmal feucht durchwischen und nochmal von vorn!“ 

Am ersten Morgen des ÖKT strömte ein Großteil der Massen zum Messegelände, Halle B3. Hier fand die von Dr. Eckart von Hirschhausen abgehaltene und sehr gefragte Bibelarbeit zu 1. Mose 9, 8-17 (der durch den Regenbogen manifestierte Bund zwischen Gott und den Menschen nach der Sintflut) statt. Mit optimalem Timing und viel Glück ergatterte ich den letzten Presseplatz in der zweiten Reihe und konnte dem Kabarettisten so aus nächster Nähe lauschen.

,,Sonidos de la Tierra'' aus ParaguayZunächst lauschte die Menge jedoch „Sonidos de la Tierra“ („Klänge der Erde“). Das durch ein soziales Projekt entstandene Ensemble aus Paraguay bot ein ganz besonderes musikalisches Erlebnis. Alle Instrumente, darunter eine volle Streicherbesetzung, Klarinetten und sogar eine Harfe, waren aus Müll, wie Blechdosen oder Öltonnen, gefertigt. Auf diesen überraschend authentisch klingenden Instrumenten gab die Gruppe Mozarts „Kleine Nachtmusik“ und Mancinis „Pink Panther“ zum Besten und begeisterte das sich zum Teil noch in der Halbschlafphase befindliche Publikum.

Dr. Eckart von HirschhausenSpätestens als Herr Dr. Hirschhausen die Bühne betrat, gehörte ihm aber die ungeteilte Aufmerksamkeit und er begann seine theologisch nicht immer fundierte, jedoch unterhaltsame und augenzwinkernde Bibelarbeit. Gott habe die „Entwicklung der Grünen“ mitgemacht, „vom Fundi zum Realisten“, bevor er die „größte Rückrufaktion der Menschheitsgeschichte“ gestartet habe. Das kann man sehen wie man möchte, unterhaltsam war es und hatte auch nicht den Anspruch, absolute theologische Wahrheiten zu verkünden.

Dr. Eckart von Hirschhausen beim ,,menschlichen Regenbogen'' mit einer FotografinGekonnt das Publikum durch Aktionen (z. B. „den Regenbogen im Augen des Nachbarn sehen“ oder ein gemeinsames Lied) einbindend, schlug er den Bogen über die Physik und Medizin und zeigte letztlich anhand der Psychoanalyse, dass es meist einen Tiefpunkt braucht, um neues Licht zu sehen. Diese These unterstrich er mit einem Zitat des Sängers Leonard Cohen (bekannt vor allem durch den oft gecoverten Song „Hallelujah“): „There’s a crack in everything, that’s how the light gets in“ („In allem ist ein Bruch, durch den das Licht hineinscheinen kann“). Mit treffenden Metaphern aus allen möglichen naturwissenschaftlichen Gebieten bearbeitete er den Bibeltext und brachte zum Lächeln, Lachen und angetanen Nicken.

Abschließend forderte er unter Beifall dazu auf, Humor als eine Form der Spiritualität wiederzuentdecken und die Seele auf dem Zwerchfell Trampolin springen zu lassen, weshalb er wohl auch die augenzwinkernde Frage stellte, warum Noah denn unbedingt zwei Mücken mit auf die Arche mitnehmen musste.

Mit seiner humorvollen, ironischen Art, unterstützt von amüsanten, zum Thema passenden Bildern traf Eckart von Hirschhausen den Nerv derer, die eine Alternative zu frühmorgendlicher theologischer Schwerkost suchten.

13.05.2010 – „Das Subjekt ist nicht im Gehirn.“

Diskussion zwischen Thomas Fuchs und Wolf SingerEine „Expedition ins Innere unseres Gehirns“ wurde auf dem Messegelände ab 14 Uhr angeboten. Moderiert von Dr. Adelheit Müller-Lissner (Berlin) diskutierten der Hirnforscher Prof. Dr. Wolf Singer (Frankfurt a. M.) und Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs, Psychiater und Philosoph aus Heidelberg, über verschiedene, v. a. philosophische Fragen zum menschlichen Gehirn.

Bevor es an die abstrakte und den Zuhörern ein gesundes Maß Hirnschmalz abfordernde Materie ging, gab Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin, praktischer Theologe aus Marburg, einen entspannenden Einstieg in den Nachmittag. Am „Tiefpunkt des Blutzuckerspiegels“ schlug er vor, aufzustehen, durch Atemübungen den eigenen Körper wahrzunehmen und das gesamte auf den Füßen lastende Gewicht an den Boden abzugeben. Wir hätten zwar nicht alle eine Geige, seien aber „alle eine Stradivari“, gestand er dem Plenum aufmunternd zu und gab nach der körperlichen Vorbereitung auf das da Kommende die Bühne für die Referenten frei, die auch ohne Vorankündigung eindeutig als Professoren einzuordnen gewesen wären.

Wolf Singer begann mit einem Vortrag mit der zentralen Aussage, dass es im Gehirn keine konkreten Orte für bestimmte Erfahrungen, Vorstellungen oder Erkenntnisse und schon gar kein zentrales „Ich“ gebe. Kein Beobachter, kein Beweger, nur komplexe Wechselwirkungen im gesamten Gehirn. Letzteres sei nicht auf die Erkenntnis von unbedingter Wahrheit ausgelegt, sondern diene zum Filtern und Nutzen von Signalen.

Prof. Dr. Dr. Thomas FuchsThomas Fuchs reagierte mit seinem Referat auf den Vorgänger, sollte laut Moderation „erwidern“. Doch ein wirkliches Erwidern fand so nicht statt, in vielen Punkten waren sich die beiden Wissenschaftler einig. Nur stellte Fuchs deutlicher heraus, dass es nicht so etwas, wie einen Geist, eine Seele oder ein Bewusstsein im Gehirn gebe. Diese ohnehin mangelhaft definierten Termini führten zu Missverständnissen. Es gebe uns nicht ein zweites Mal in uns selbst, der ganze Körper samt Hirn und aller anderen Bestandteile bilde in der Wechselbeziehung mit der Umwelt das Subjekt. Bewusstes Erleben sei an den gesamten Organismus gebunden. Hier bezog er sich auch auf Ludwig Feuerbach, der schon 1835 geäußert hatte, dass ein „Zentralismus des Gehirns“ die Wechselwirkungen zwischen Gehirn, Körper und Umwelt vernachlässige.

Die nachfolgende Diskussion der beiden Referenten gab nicht allzu viel her, da wie gesagt keine echten Streitpunkte vorhanden waren. Größter Unterschied war lediglich, dass Singer dem Gehirn immer noch eine „Königsrolle“ zuspricht, während Fuchs es lieber als „Vermittlungsorgan“ bezeichnet.

Viel interessanter waren die Fragen aus dem Publikum. Während der Veranstaltung bestand die Möglichkeit, Fragen auf Zetteln zu notieren und bei Mitarbeitern abzugeben. Am Ende der Diskussion wurden die beiden Wissenschaftler mit einer Auswahl dieser Fragen konfrontiert. Neben Fragen nach neuronalen Prozessen beim Verliebtsein (die Singer mit denen bei einem starken Kokainrausch verglich) gab es sehr ernste Anliegen, wie zum Beispiel die Frage nach dem Hirntod. Bei dieser brisanten Frage waren sich beide Referenten überraschend einig, dass der Hirntod dem Tod des Menschen gleichkomme, da die für Lebensprozesse notwendige Wechselwirkung mit dem Gehirn ausfalle und der Organismus unkoordiniert ohne Hilfe schnell sterben würde.

Auch Fragen die Religion betreffend wurden selbstverständlich gestellt, konnten aber erwartungsgemäß nicht ganz befriedigend beantwortet werden. So wurde nicht allzu deutlich, ob es evolutionäre Vorteile von Religion gibt oder ob Beten das Gehirn langfristig verändern kann.

Abschließend und letztlich einen positiven Nachgeschmack hinterlassend, gaben die beiden Referenten an, dass auch sie den Menschen nicht für eine „biologische Egomaschine ohne überlebende Seele“ halten. Wobei, Herr Fuchs, gibt es denn jetzt eine Seele...?

 

13.05.2010 – Warme Klänge und „Hardcore-Publikum“ trotzen nasskaltem Regenwetter

Samuel Harfst und Band auf dem MarienplatzKalt. Nass. Windig. Einfach ungemütlich war es um kurz vor acht auf dem Marienplatz in der Münchner Altstadt und vor der Bühne hatte sich verständlicherweise zunächst eine überschaubare Menge von Kapuzen und Regenschirmen angesammelt. Auf der Bühne jedoch wurde schon etwas für warme Gedanken getan. Sänger und Gitarrist Samuel Harfst und seine Akustik-Band, bestehend aus David Harfst (Percussion, Rhodes), Dirk Menger (Bass, Rhodes, Cello, Klavier) und Dominik Schweiger (Cello), spielten schon vor offiziellem Beginn ihres Konzertes einen „kleinen Blues, um die Langeweile kleinzukriegen“.

A_Dominik Schweiger, Dirk Menger und Samuel Harfst (v. l.)Samuel Harfst begann während seines Studiums in Australien mit Straßenmusik, weil ihm schlichtweg das Geld ausging. Aus der Not wurde Kunst, mittlerweile gibt es mehrere CDs zu kaufen. Da die Band aber selbst weiß, wie es ist, finanziell handlungseingeschränkt zu sein, wurden die CDs an einem Stand für einen nach eigenen Möglichkeiten festzulegenden Preis verkauft.

Doch nicht nur das machte die Band sympathisch. Samuel Harfst leitete gekonnt und mit viel Witz und Charme von einem Lied zum anderen über. Die warmen, durch das breite Klangsprektrum der Celli ungemein aufgewerteten Melodien im typischen Singer-Songwriter-Stil behandeln Alltagsthemen oder Liebes- und Ehrfurchtserklärungen an den, „wegen dem wir uns hier überhaupt getroffen haben!“. Emotionaler Höhepunkt war das Lied „Mach uns eins“, das für die Band bei einem Auftritt in Berlin an der ehemaligen Grenze eine ganz neue Bedeutung bekommen hatte, ergänzt durch eine grandiose Interpretation des „wohl bekanntesten Songs der Welt“ Amazing Grace. Gnade, so Harfst, sei kein Konzept, dass der Kopf zu begreifen habe, sondern eine Offenbarung, die das Herz erfahren müsse.

Mittlerweile war das Publikum immer weiter angewachsen, gefühlt alle 10 Minuten stellte der Frontmann sich und seine Band erneut vor. Nach fast zwei Stunden englisch-deutschen Musikprogramms schlossen die Interpreten mit dem Publikumsfavoriten „Das Privileg zu sein“, eine Zusage an alle vom Schicksal Gebeutelten: „Gott glaubt an dich“.

Im Anschluss bestand die Möglichkeit, die Musiker im persönlichen Gespräch kennenzulernen; viele der letztlich geschätzt mehreren hundert Zuhörer waren aber auch froh, den warmen Gedanken und Klängen auch ein warmes Umfeld zufügen zu können und traten die Heimreise an. Doch gerade wegen des salopp gesagt ekligen Wetters, war der Abend für die Band laut Harfst „unvergesslich“, da er so viele „Hardcore-Zuhörer“ bei solchen äußeren Bedingungen und der großen A-cappella-Konkurrenz auf der Theresienwiese überhaupt nicht erwartet habe.

14.05.2010 – Damit wir Hoffnung haben

Bibelarbeit  von Heinrich DeichmannFreitagmorgen, ein erneuter Trip zur Messestadt. Um halb 10 begannen wieder die parallel zum gleichen Bibeltext laufenden Bibelarbeiten, heute zu Römer 8, 16-25. Die Bibelarbeit meiner Wahl wurde vom bekannten Unternehmer Heinrich Deichmann abgehalten, da der Theologe Jörg Zink seine Teilnahme am Kirchentag kurzfristig abgesagt hatte und meine ursprüngliche Wunschveranstaltung ausfiel.

Musikalisch unterstützt wurde Deichmann von einem Posaunenchor, der das Publikum bei gemeinsamen Liedern begleitete und so zur Auflockerung und Einstimmung in den Tag beitrug. Der Essener Unternehmer war sichtlich begeistert von dem musikalischen Begleitprogramm: „Was für ein großartiger Posaunenchor. Kompliment.“

In seiner Bibelarbeit blieb er weitgehend nah am Ausgangstext und ließ auch inhaltlich nichts Revolutionäres verlauten. Dennoch, bibelfest, theologisch unangreifbar und auf der Tageszeit angemessene, sehr erbauliche Art und Weise entnahm er der nicht auf einen Blick erfassbaren Bibelstelle die wichtigsten Botschaften.

Das Leben im Geist Gottes stand hier im Mittelpunkt, das Kindwerden vor Gott, dem wir aus eigener Kraft niemals gerecht werden können. Den historischen Kontext einbeziehend ging er auch auf die damaligen Pauluskritiker ein, die ihm die Abkehr vom Gesetz, der Tora, vorwarfen. Doch das Leben mit Gottes Geist, so Deichmann, sei die einzige Möglichkeit, dem Gesetz gerecht zu werden. Eine bloße „Verkrampfung“ auf Regeln verhindere einen liebenden Umgang mit sich und anderen.

Die Annahme des heiligen Geistes sei für ihn „eine wunderbare Erfahrung“, jedoch auch ein Prozess, der Zeit brauche und nie ganz abgeschlossen sei. Eine Facette dieser Erfahrung sei aber auch, auf dieser Erde zu leiden und Ablehnung zu erfahren. „Doch nie müssen wir alleine leiden. Im Leiden sind wir Christus oft ganz nah.“ Außerdem bedeute das irdische Leiden nichts im Vergleich zu der Herrlichkeit und Ewigkeit Gottes, auf die wir hoffen können. Diese Hoffnung müsse als eine Kraft angesehen werden, die schon unser Leben hier auf Erden grundsätzlich verändere, uns die Botschaft der Liebe weitertragen lasse und uns gemeinsam mit der ganzen Schöpfung auf das „herrliche Ziel“ hinleben lasse.

14.05.2010 – Eine Schreckensreise durch die Bibel

Dr. Marion Keuchen und Prof. em. Dr. Jürgen Ebach auf einer Schreckensreise durch die Bibel.Wie sollen wir als doch eigentliche fried- und unseren Nächsten liebende Christen mit Gewaltdarstellungen in der Bibel umgehen? Wie mit Kapiteln, in denen „der liebe Gott“ eifersüchtig, fordernd und wenig zimperlich auftritt?

Der kirchen- und katholikentagerprobte Alttestamentler Prof. em. Dr. Jürgen Ebach aus Bochum versuchte in seinem Vortrag unter dem Titel „Nicht den Frieden, sondern das Schwert!? – Drängende Fragen an Texte, die von Gewalt sprechen“ zu genau diesen Problemen Lösungsansätze zu bieten. Die Gewalt in der Bibel sei nämlich für viele ein Ablehnungsgrund, weshalb von Kritikern groß- und von den meisten Christen kleingeschrieben. Das Wort Gottes allein auf Grausamkeiten zu reduzieren sei aber genauso falsch wie die Verdrängung derselben, auch aus dem Neuen Testament. Denn Letzteres stehe spätestens mit der Offenbarung dem Alten in Sachen Grausamkeit in nichts nach, ebenso sei Nächsten- und Feindesliebe keine neutestamentliche Erfindung. Was also sollen wir halten von einem Wort Gottes, das augenscheinlich von Kriegen, Aggression und Opfern durchzogen ist? Und, um an die Bibelarbeit des Vortages anzuknüpfen, was von einem Gott, der „Berge von Leichen“ verursacht, bevor er sich auf einen Bund mit den Menschen einlässt?

Um konkret zu zeigen, wo Gewalt in der Bibel auftaucht, machte Ebach mit seinem Publikum eine „Schreckensreise durch die Bibel“ mit Zwischenstops u. a. bei der Verstoßung aus dem Paradies oder dem Auszug aus Ägypten.

Prof. em. Dr. Jürgen EbachEbach betont, es sei wichtig, hier zwischen Norm und Realität zu unterscheiden. Die Gewalt „wird nicht propagiert, sondern als Erfahrung wahrgenommen“. Wenn alle Bücher, die Gewalt und Grausamkeiten schildern, sofort grausame Bücher wären, dann seien ebenso Shakespeare, die Gebrüder Grimm und Anne Frank grausam.  Gewalt sei nun einmal historische Realität, schon immer gewesen. Gott auf seine „lieben“ Seiten zu reduzieren gehe außerdem mit Realitätsverlust und Machtgewinn der „anderen Seite“ einher. Ebach ging sogar so weit, die These aufzustellen, dass viele Gewalt beinhaltende Bibeltexte genau das Gegenteil aussagen sollen. Beispielsweise zeige Gott in der zunächst sehr heftig erscheinenden Beinahe-Opferung Isaaks, dass er Menschenopfer „nicht und niemals will“. Gott lerne aber auch und bereue sogar.

Aufgrund der Länge und Dichte des Vortrags fällt es schwer, alles Gesagte wiederzugeben, obwohl ein Großteil davon überaus erwähnenswert wäre. Vortragsweise und rhethorisches Feingefühl des Referenten sind überzeugend und souverän, was es sehr schwer macht, seine Ansichten vorsichtig und sinnvoll zu hinterfragen. Dennoch, viele Ansätze Ebachs weisen für den Laien ganz neue Umgangsformen mit der Materie auf, auch wenn Fragen nicht endgültig beantwortet werden. Auch auf Fragen aus dem Publikum antwortete er spontan, aber wohlüberlegt und regte alles in allem mit einem gelungenen Vortrag mindestens zum Nachdenken an.

 

14.05.2010 – „Jesus changes everything!“

Leuchten für die Verlorenen – das will die siebenköpfige Band „October Light“ aus Kroatien. Seit einigen Jahren tragen die Musiker auf verschiedenen christlichen Events in Deutschland, z. B. auch auf dem Christival 2008 in Bremen, ihre energiegeladene Mischung aus Punk-Rock und Ska verfeinert mit christlichen Botschaften vor.

Mit nur leicht gebrochenem Deutsch kündigten die Frontmänner an, das schlechte Wetter (heute immerhin trocken!) mit heißer Musik vergessen zu machen. Spätestens nach dem zweiten Titel mit der die Botschaft der Band gut zusammenfassenden Textzeile „Jesus changes everything“ („Jesus verändert alles“) war auch das stetig wachsende Publikum an der Seebühne im Olympiapark warm und tanzte und hüpfte zu E-Gitarren- und Blechbläserklängen.

Eine gute Stunde lang wurde „geskankt“, geklatscht und laut mitgesungen, doch auch sanftere Klänge hatten die Jungs im Repertoire. Mit einem leidenschaftlichen Song Marke Gänsehaut gab „October Light“ den Zuhörern noch eine wichtige Botschaft mit auf den Weg: „Read your Bible, pray every day.“ („Lies deine Bibel, bete jeden Tag.“)

14.05.2010 – Worship ist anders…

…jedenfalls für einige Besucher der abendlichen Veranstaltung. Doch das mag bei der im Münchner „Backstage“ veranstalteten Lobpreisnacht nicht allen so gegangen sein. Eine kleine, zu einem Drittel gefüllte Halle sollte laut Programm zu einem Ort der musikalischen Anbetung werden. Von Letzterer hat natürlich jeder eine andere, sehr individuelle und persönliche Vorstellung, so viel sei an dieser Stelle gesagt.

Ausführende waren drei Musikgruppen, die Band „Söhne des Lichts“ aus München, die Berliner Lobpreis-Band „BConnected“ und der Projektchor „Maranatha“ aus Buchen.

Die „Söhne des Lichts“, eigentlich auch mit Töchtern an Background-Mikros und Gitarre, begannen den Abend; und das nicht wirklich glücklich. Ohne Beamer, Liedzettel o. ä. hatten die Besucher kaum eine Chance mitzusingen. Auch Performance und musikalisch-dynamische Ausarbeitung hätten besser auf ein Schülerbandfestival gepasst, nicht wenige zunächst vorfreudige Besucher setzten sich nach wenigen Liedern wieder oder verließen ganz das Gebäude, da „kaum Platz zur individuellen Anbetung“ gelassen wurde.

„BConnected“ schien anfangs auf demselben, die zunächst wieder erwartungsfrohen Besucher enttäuschenden Niveau weiterzumachen, fing sich aber ab der Hälfte und mit zunehmender Dynamik der Musik und Authentizität der Ausführenden ließen sich immer mehr Besucher auf das Angebot der gemeinsamen Anbetung ein und feierten eine knappe halbe Stunde lang ihren gemeinsamen Herrn. Die Texte wurden auf eine Leinwand projiziert, die spürbare Anspannung unter den hauptsächlich Jugendlichen im Saal war gewichen.

Mit dem Projektchor mit Band „Maranatha“ wechselte das Genre dann völlig. Der recht große Chor mit ebenso gut besetzter Band besteht schon seit 19 Jahren und ist bereits auf einigen Kirchen- und Katholikentagen aufgetreten. Selbstgeschriebene Lieder und bekannte Songs im Stil von „Da berühren sich Himmel und Erde“ stellten das Repertoire dar. Der Veranstaltungsort tat dem Chor jedoch leider keinen Gefallen, die Akustik war bescheiden und wurde dem Engagement und den Fähigkeiten der vielen ehrenamtlichen Mitglieder nicht gerecht. Mitsingen war schwierig.

Vor allem einige recht junge Besucher schienen einen tollen Abend genossen zu haben, während jedoch andere enttäuscht und nachdenklich wirkten. Die Form der Anbetung, das sei noch einmal betont, soll hier nicht als Problem dargestellt sein, da jeder auf andere Art und Weise einen Zugang finden kann. Doch an der Ausführung derselben ließe sich bei allen drei Gruppen noch feilen.

15.05.2010 – Für mehr Interesse am Mitmenschen

Prof. Götz W. WernerAuch den dritten vollständigen Tag des ÖKT begann ich wie gewohnt mit dem Besuch einer Bibelarbeit, heute zu Matthäus 25, 31-46. Interessant für die Bibelarbeit Prof. Götz W. Werners, dem ich spontan den Vorzug vor Wolfgang Huber gab, war vor allem Vers 40: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Der ,,Chor Live'' aus BielefeldDoch bevor der Gründer und Gesellschafter der Drogeriemarktkette „dm“ seinen Vortrag begann, stimmten bekannte Gesichter das Publikum ein. Der „Chor Live“ aus der Jakobusgemeinde Bielefeld unter der Leitung von Gottfried Braun lieferte den musikalischen Rahmen und einige der sichtlich unter Schlafmangel leidenden Besucher ließen sich zum Mitklatschen hinreißen.

Nachdem ich schon eine komödiantische und eine mutmachende Bibelarbeit erleben durfte, schlug Götz Werner noch eine andere Richtung ein. Götz W. Werner, der seit 2003 an der Universität Karlsruhe tätig ist, ist bekannt dafür, dass er sich seit Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, er hat sogar ein eigenes Konzept zur Umsetzung desselben erarbeitet. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sein Vortrag vor allem auf die Begründung und Rechtfertigung dieses Vorhabens abzielte.

Den einzigen direkten Bezug zum Bibeltext bot der Einstieg. Jesus zeige in Vers 40 eine „unglaubliche Solidarität mit den Menschen“, die sich jeder von uns aneignen müsse. In einer Gesellschaft, in der wir für andere und andere für uns „tätig werden“, müsse es wieder mehr Wert- als Geringschätzung geben, ein „warmes Interesse am Anderen“ sei vonnöten, ein Bewusstsein, dass Menschen auf der ganzen Welt für uns arbeiten.

So schlug Werner den Bogen zu Wirtschaft und Sozialpolitik und forderte eine Trennung von Einkommen und Arbeit. Zu viele Menschen hätten heutzutage einen „Einkommensplatz“, bei dem es nicht mehr um Selbstverwirklichung und Entwicklung als vielmehr um das „unliebsame Abrackern“ für Geld gehe. Er setze sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, für ein Einkommen, das Arbeit „ermöglicht, nicht belohnt“. Denn die Arbeit jedes Einzelnen sei unbezahlbar.

Nicht nur für diese Äußerung erntete der Unternehmer Applaus, sondern auch für die Kritik an Zuständen in Sozialarbeit und vor allem Pflege. Erfahrungen der Produktionsarbeit würden auf die Sozialarbeit übertragen, was „ein Skandal“ sei, denn: „Symphoniker werden auch nicht effizienter, wenn sie die Fünfte von Beethoven zehn Minuten schneller spielen.“

Götz Werner im Gespräch mit BesuchernRhetorisch gewandt überzeugte Götz W. Werner offenbar viele Zuschauer von seinen Vorstellungen, der Beifall zeugte zeitweise von Begeisterung und der Professor wurde nach seinem Vortrag von interessierten Zuhörern geradezu umlagert.

15.05.2010 – Chancen nutzen und Risiken verringern

Auftritt von ,,Sonidos de la Tierra'' beim Podium MigrationAls ich den Saal betrat, in dem das Podium zur Migration unter dem Titel „Bereichernd, bedrohlich… oder einfach normal?“ stattfinden sollte, freute ich mich zunächst über bekannte Gesichter und Klänge, denn die Gruppe „Sonidos de la Tierra“, die schon die Hirschhausen-Bibelarbeit musikalisch untermalt hatte, begeisterte die Zuschauer einmal mehr.

Podium MigrationDr. Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin) hielt zunächst einen statistikgeladenen, aber dennoch sehr anschaulichen Impulsvortrag über das „Wanderungsgeschehen in Europa“. Interessant waren hier vor allem die Prognosen für das Jahr 2050 und die Situation Deutschlands. 2050 werde es etwa 9,8 Mrd. Menschen geben, 95% dieses Wachstums werde in Entwicklungsländern geschehen. Die Zahl der Migranten werde auf 270 Mio. steigen, während in Deutschland in 40 Jahren jährlich 650.000 Menschen mehr stürben, als geboren würden. Heute sind es noch 200.000. Die Tendenz ist eindeutig, weshalb sich logisch die Frage anschließt, ob Zuwanderung den Verlust an arbeitsfähiger Bevölkerung ausgleichen kann. Nach Angenendt lässt sich diese Frage generell mit „nein“ beantworten, da Zu- und Abwanderung sich momentan ausglichen, d. h., es ergibt sich eine Netto-Zuwanderung von 0, während eine von 1,8 Mio. nötig wäre.

Migration bringe aber auch und vor allem Konflikte mit sich, weshalb die Probleme „an der Wurzel angepackt werden müssen“. Durch den Klimawandel werde die Zahl der Umweltflüchtlinge steigen, eine wachsende Anzahl an Kriegen und politisch-militärischen Konflikten begünstige den Anstieg der Flüchtlings- und Vertriebenenzahlen. Eine verstärkte internationale Kooperation, vor allem in der EU, sei daher dringend vonnöten.

Dr. Victoria Kamondji, Dr. Thomas de Maiziére, Dr. Gunilla Fincke, Franz Vorrath und Stefan Keßler (v. l.)Danach wurde das Podium von Moderatorin Dr. Gunilla Finke eröffnet. Teilnehmende waren die Vizepräsidentin des Protestantischen Kirchenbundes Frankreich Dr. Victoria Kamondji, der Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maiziére, der Essener Weihbischof Franz Vorrath und Stefan Keßler vom Flüchtlingsdienst der Jesuiten in Europa.

Den Anfang der etwas hölzern moderierten Diskussion machte de Maiziére, der am Beispiel Griechenlands zu zeigen versuchte, wie Flüchtlingspolitik nicht funktioniere, und forderte, alle Länder der EU müssten sich gegenseitig unterstützen. Vorrath ergänzte, Flüchtlingshilfe sei ein christlicher Wert, weshalb die Kirche allen Hilfesuchenden helfe, und Keßler forderte ein ordentliches, einheitliches Asylverfahren, in dem sich Flüchtlinge auf die Menschenrechte berufen können.

Nachdem man etwa eine halbe Stunde über das Flüchtlings- und Asylproblem in Europa debattiert hatte, wurde mit einem kurzen Film geschickt das Thema gewechselt. Im Video wurde der aus dem Libanon stammende Ismael Ibrahim vorgestellt, der als Kind in Deutschland zunächst unterschätzt und sogar auf eine Sonderschule geschickt wurde. Er habe das damals als Demütigung und Entwürdigung empfunden und sich trotzdem bis zum Abitur durchgekämpft. Heute arbeitet er als Sozialpädagoge und Streetworker und hat sogar schon einen Universitätspreis erhalten.

An diesem Einzelbeispiel sollte gezeigt werden, wie Integration funktionieren und „Deutschland bereichern“ kann. Im Folgenden wurden durch zustimmenden Applaus honorierte Forderungen nach einer großzügigeren Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und einer intensiveren Sprachförderung laut. Doch auch die nachholende Integration für schon länger in Deutschland lebende Generationen müsse „erheblich gesteigert“ werden. Alles das funktioniere aber nur, wenn auch die Bereitschaft vorhanden ist, Angebote zu nutzen.

Die Podiumsdiskussion war überaus interessant, aber bei der Vielzahl der angesprochenen Probleme sehr dicht und nicht immer ergebnisorientiert. Dass die notwendige Diskussion über Migration und Flucht aber sehr offen und bei manchen Beteiligten sichtbar mit Herzblut geführt wird, ist beruhigend und lässt auf eine positive Entwicklung in der Migrations- und vor allem Integrationspolitik hoffen.

15.05.2010 – In Tagen voll Windhauch

Leidenschaftlicher Vortrag von Dr. Franz-Josef OrtkemperMit „Suchen–Glauben–Zweifeln – Biblische Texte zur heutigen Glaubenskrise“ war der Vortrag von Dr. Franz-Josef Ortkemper, Direktor i. R. des katholischen Bibelwerks, überschrieben. Man möge mir verzeihen, sollte im Folgenden stellenweise Euphorie aufblitzen. Doch einen besseren und ermutigerenden Abschluss meines Kirchentagsprogramms hätte ich nicht wählen können.

Doch zunächst zum Inhalt des Vortrags. Es gebe in Büchern der Bibel unglaubliche Parallelen zur heutigen Gesellschaft und Glaubenssituation, so Ortkemper. Vor allem das Buch Kohelet, über das er auch schon ein Buch verfasst hat, hat es ihm offensichtlich angetan. Der Verfasser stelle ehrliche und tiefschürfende existenzielle Fragen, vor allem die Frage, ob denn nicht alles nur „Windhauch“, sprich nichtig und vergänglich sei. Der unerträgliche Gedanke, dass der Tod Leben und den Schatz an Lebenserfahrung einfach auslösche und „nie dagewesen“ mache, ziehe sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte und sei uns auch heute nicht fremd.

Mit Begeisterung und Witz brachte Ortkemper den Zuhörern das vielen unbekannte Buch näher und zeigte, wie sich Kohelet den Problemen seiner Zeit stellt. Immer wieder fordere er einen Mittelweg zwischen Gesetz und Wissen, denn „wer Gott fürchtet, wird sich in jedem Fall richtig verhalten“. Zwänge und Ängste seien genauso schlecht wie das Fehlen von Gottesfurcht im Sinne von „Gott ernst und bei seinem Wort nehmen“. Ortkemper bezog sich hier so offen und selbskritisch wie selten gesehen auf die aktuellen Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche. In der katholischen Kirche herrschten „furchtbare“ Zwänge und Ängste und außerdem eine nicht mehr funktionierende Sexualmoral. Die Kirche solle sich ebenfalls ehrlich und aufrichtig den Problemen der Zeit stellen.

Ein anderes Problem sieht Ortkemper in der Tatsache, die schon Hosea etwa 750 v. Chr. treffend umschrieb: „Als sie satt waren, vergaßen sie mich.“ Wohlstand lasse Menschen Gott vergessen, obwohl sie besser dankbar und solidarisch mit den Armen wären, vor allem weil sie den Wohlstand nicht aus eigener Kraft erreichten. Bei Hosea passiere das Vergessen in Form der Vergötterung Baals, der interessanterweise durch einen Stier dargestellt wurde, wodurch Ortkemper einen augenzwinkernden, aber aktuellen und verblüffenden Bezug zur Frankfurter Börse herstellte.

Das dritte Buch, das Ortkemper vorstellte, war erneut ein eher unbekanntes. Das Buch der Weisheit, in Alexandrien, dem „Oxford des Altertums“ verfasst, schildere das Leben in einer regelrechten und heute nur allzu bekannten Spaßgesellschaft. Problematisch sei für den Verfasser nicht der Spaß oder die Lebensfreude, sie seien sogar von Gott gegönnt. Doch die Mentalität, dass in Spaß und Vergnügen der alleinige Sinn und die ganze Erfüllung des Daseins liege, sei erschreckend.

Der Vortrag Ortkempers war heißbegehrtGerade wegen der Aktualität der vorgestellten Texte monierte Ortkemper das Fehlen derselben im Lektionar der Kirche. Die Probleme, Zweifel und Fragen der Verfasser zeigten auch uns, dass darin Menschlichkeit liege und wie man damit umgehen könne. Ortkemper trug seine Anliegen mit einer solchen Begeisterung, Hingabe und Authentizität vor, dass man jedem zum Besuch einer seiner Vorträge, mindestens aber zur Lektüre der vorgestellten Bibeltexte raten möchte. Er wurde anschließend umlagert von Besuchern, die ihm ihre E-Mail-Adressen gaben – mit der Bitte, er möge ihnen seinen Vortrag zusenden. Abgesehen von den Persönlichkeiten in der Bibel war es der Vortragende selbst und seine Art, die Mut im Umgang mit plagenden Sinnfragen und Zweifeln machten: „Wo Menschen fragen und suchen voller Leidenschaft, da sind sie auf dem Wege zu Gott, auch wenn sie ihn noch nicht ganz gefunden haben.“

Und dann…

Der Ausgang West des Messegeländes – Hier kamen und gingen täglich mehrere zehntausend Besucher ..war der 2. Ökumenische Kirchentag 2010 in München schon wieder vorbei. Keine täglichen Wanderungen über das weitläufige Messegelände mehr, kein Gelegenheitsshoppen und/oder interessiertes „Umschauen“ auf der Agora, kein ständiger Kontakt mit dem Glauben, keine große überkonfessionelle Gemeinschaft mehr. Was bleibt nach vier Tagen toller Stimmung, schlechten Wetters, beeindruckender Darbietungen und Momenten der Ermutigung?

Das MessegeländeAgoraEs bleibt die Erinnerung an spontane Begegungen, an das Vergessen von Unterschieden und den konstruktiven Austausch. Es bleiben Impulse, Ansätze und Worte, die den Glauben wachsen lassen, ebenso wie die Gemeinschaft mit anderen Christen. Es bleibt das Gefühl, nicht allein zu sein mit seinem Glauben.

Auch ohne Beginn und Abschluss des ÖKT live verfolgt zu haben, die Atmosphäre und Stimmung unter den Teilnehmenden war gut und friedlich, wie eigentlich auf allen christlichen Events, die ich miterleben durfte. Das Programm war fast schon zu gut und vielfältig, die großen gemeinsamen Aktionen, wie der Abend der Begegnung, stimmungsvoll inszeniert und umgesetzt. Auch wenn das Wetter schlecht war und die der Ökumene im Wege stehenden Probleme längst nicht gelöst sind: Der 2. Ökumenische Kirchentag 2010 zeigt, dass Einheit möglich ist, Unterschiede nichts Trennendes sein müssen und wir trotz allem behaupten können, von ein und demselben Gott geliebt zu werden.

 

Zum Nachlesen gibt es viele Texte vom Ökumenischen Kirchentaghier.

Der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag: Dresden – 1. bis 5. Juni 2011

Dresden 2011

Der nächste Katholikentag: Mannheim – 16. bis 20 Mai 2012