Wenn man eine Vorstellung von den Anfängen unserer Schule gewinnen will, muss man sich zwei Tatsachen vor Augen halten: Bielefeld zählte um die Mitte des 19. Jahrhunderts erst etwa 10.000 Einwohner und die höhere Bildung von Mädchen war etwas, das sich im Bewusstsein der Menschen erst allmählich als wünschenswert und notwendig herausbildete.

Das erste Schulgebäude Die Ziele solcher Bemühungen orientierten sich an den Bedürfnissen der Familie, für die ein Mädchen als künftige Gattin, Hausfrau und Mutter auszubilden war. Dabei sollten bei aller Unterordnung der Frau eine gewisse Selbständigkeit, die Ausrichtung auf das Praktische, die Einübung von Tugenden wie Zurückhaltung, Demut, Bescheidenheit, Sanftmut, Gefühlsbetontheit, Opferbereitschaft eine Rolle spielen. Da man der Meinung war, dass ‚Vielwisserei’ der Weiblichkeit abträglich sei, sollte man auf Geistesbildung eher verzichten. Wenn in den bürgerlichen Kreisen überhaupt so etwas wie ein Berufsbild in Frage kam, dann war es das der Gouvernante und zunehmend das der Lehrerin. Für solche Fähigkeiten sollten der Verstand und das Herz gebildet werden. Als Lerngegenstände für die intellektuelle, ästhetische und moralische Ausbildung wurden Religion, Schönschreiben, Naturkunde, Erdbeschreibung, Geschichte, Zeichenkunst und Gesangslehre, ferner die Einführung in das deutsche Schrifttum sowie das Erlernen der französischen Sprache bestimmt.

In Bielefeld gab es bereits seit 1828 eine Höhere Töchterschule. Sie musste jahrelang kämpfen, um in der Bürgerschaft der Stadt die notwendige Anerkennung zu erringen, und ist nach den diversen Namensänderungen, z. B. Auguste-Viktoria-Schule, Bavink-Gymnasium, nun seit einigen Jahren das „Gymnasium am Waldhof“ geworden. In den ersten Jahrzehnten gab es finanzielle Probleme - Gebäudeerhaltung und die Zahlung der Lehrergehälter mussten von der Elternschaft der Schulkinder geleistet werden. Zudem begegneten gewisse Kreise der Bevölkerung der Schule mit Zweifeln hinsichtlich eines geordneten Schullebens, der Lehrbefähigung einiger unterrichtender Kräfte und an der Einstellung in manchen religiösen und politischen Fragen.

So kam es, dass einige führende Familien, in denen ein starkes christliches Bewusstsein anzutreffen war, für ihre Kinder eine eigene Schule haben wollten, die ihren Vorstellungen von evangelischem Geist und einer intellektuellen Bildung ohne rationalistisches und zu liberales Beiwerk entsprach.

Lehrerkollegium Auf Grund dieser Privatinitiative kam es am Anfang des Jahres 1856 mit Genehmigung der Königlichen Regierung in Minden und des Magistrats der Stadt Bielefeld zur Gründung einer Privatschule im Haus von Frau Antonie Dietrich, der Frau des Musikdirektors Dietrich. Hier unterrichtete sie selbst, die im Lehrerberuf ausgebildet war, zusammen mit anderen Lehrpersonen, unter anderem dem zuständigen Superintendenten, ihre eigenen Kinder und die Töchter, die ihr von anderen bekannten Familien anvertraut wurden. Der Start erfolgte mit sieben Kindern in einer Privatwohnung an der Kreuzstraße. Im Jahr darauf zählte die Schule bereits 28 und noch ein Jahr später 60 Schülerinnen. Für diesen Anstieg hatten der hervorragende Zustand des Unterrichts und die gute und kräftige Leitung von Frau Dietrich gesorgt.

Als diese 1868 mit ihrer Familie Bielefeld verließ, übernahm Fräulein Agnes Krings, die seit 1856 an der Schule war, die Leitung der sogenannten Töchterschule, für die ein neues Schulgebäude in der Innenstadt (heute das Gelände zwischen Alfred-Bozi-Straße und Elsa-Brändström-Straße) gefunden wurde. Zu diesem Zeitpunkt übernahmen auch die Eltern die Verantwortung für das Schulleben. Sie bildeten ein Kuratorium, das die Finanzen der Schule verwaltete und für die wachsende Zahl der Schülerinnen, 1877 z. B. 132, entsprechenden Schulraum durch Anmietung von Nachbargebäuden bzw. Neubaumaßnahmen beschaffte.

Die Schule benötigte auch mehr Räumlichkeiten, weil ihr 1879 ein Privatseminar zur Ausbildung von Lehrerinnen und eine Übungsschule angeschlossen wurden. Da eine Reihe von Schülerinnen und Seminaristinnen von auswärts kamen, wurde ein schuleigenes Pensionat eingerichtet. 1898 wurde die Privatschule in eine Stiftung mit dem Namen „Ev. höhere Privatmädchenschule“ umgewandelt. Die Schulaufsicht, einschließlich der Anstellung des Lehrpersonals und der Überwachung der Prüfungen, unter anderem der Abschlussprüfungen am Lehrerinnenseminar, wurde von der zuständigen Provinzialbehörde, dem Schulkollegium in Münster, wahrgenommen.