Literaturkurs des Ceciliengymnasiums führt „Die Welle“ auf

20190704 experiment ausser kontrolleWarum fühlt sich der Einzelne in der Gruppe stark? Wie frei ist der Mensch in seinen Entscheidungen? Wo beginnt und endet meine Verantwortung? Was sind die Verführungsmechanismen von totalitären Systemen? Dass diese und ähnliche Fragen damals wie heute brennend aktuell sind, befand der Literaturkurs der Q1 des Ceciliengymnasiums und entschied sich daher, aus einer Vielzahl von möglichen Theaterskripten für „Die Welle“ in der Fassung von Reinhold Tritt.

„Ich dachte, dass so etwas nicht so schnell passieren kann, aber durch das Theaterstück ist mir deutlich geworden, dass so etwas schnell und ‚ohne Absicht‘ passieren könnte“, erklärt Sabina Subramavin.

Unter der Leitung von Frau Reinelt wurde aus dem ernsten und anspruchsvollen Thema dank sprachlicher Anpassungen und erfrischend aufspielender Schülerinnen und Schülern eine zunächst kurzweilige, humorvolle und schließlich eine fesselnde und schockierende Theateraufführung, die mit lang anhaltendem Applaus in der gut besuchten Aula goutiert wurde. Cedric Niebrügge verkörperte den Geschichtslehrer Ben Ross, der durch die Rückfrage einer Schülerin, warum die Deutschen nicht versucht hätten, den Holocaust zu verhindern, zum Nachdenken gebracht wird. Daraufhin beschließt er, mit seinem Geschichtskurs ein Experiment durchzuführen, bei dem die Schüler selbst den Verführungsmechanismen von totalitären Systemen ausgesetzt sind. Der charismatischen Ausstrahlung und der ungewöhnlichen Bühnenpräsenz des Protagonisten ist es zu verdanken, dass der Zuschauer die Bereitschaft des Kurses, sich in die Abhängigkeit von der Ideologie der Welle und der ihres Führers zu begeben, leicht nachvollziehen konnte. Um möglichst vielen Schülerinnen und Schülern eine Bühnenerfahrung zu ermöglichen, nutzte Frau Reinelt den Kunstgriff, zahlreiche Rollen doppelt oder dreifach zu besetzen. Da sich alle Schauspieler im Vorspann kurz selbst vorstellten, ist diese Variante im weiteren Verlauf nicht mehr irritierend und fast alle konnten sich in ihren Rollen erproben. War das Gruppenexperiment für Ross zunächst ein voller Erfolg mit störungsfreiem Unterricht und neuen Mitgliedern, so spiegelte ihm seine Frau Christy Ross, gespielt von Beritan Dik, dass er sich zunehmend autoritäre Züge aneigne. Als der Schüler Robert, Agsayan Punniarajah und Aathavan Kamalendram, dann noch meinte, ihn beschützen zu müssen, forderte sie das Ende des Experiments. Und sie blieb mit ihrer Meinung nicht alleine. Die Begleitumstände, dass Nicht-Mitglieder der „Welle“ ausgeschlossen und einige Personen sogar verprügelt wurden, alarmierte auch Schüler von der Schülerzeitung – allen voran Laurie, gespielt von Katharina und Vanessa, und den Direktor Owens, gespielt von Tony Tang. So in die Enge getrieben und selbst nicht mehr von der davon überzeugt, sein Experiment steuern zu können, ließ Mr. Ross alles in einer großen Welleversammlung enden, bei der er den Schülern und dem Publikum die Parallele zum totalitären System der Nationalsozialisten aufweist, indem er Hitler, als ihren wahren Führer präsentierte.

Nach diesem Finale gab es einen langanhaltenden Applaus für die Literaturkursschülerinnen und -schüler, die Licht- und Tontechniker, sowie Frau Reinelt (Leitung). In einer kurzen Rede wendete Frau Dr. Litz als Schulleiterin des Ceciliengymnasiums einige dankende Worte an alle Beteiligten und erinnerte das Publikum daran, dass das Theaterstück eine reale Vorlage in Amerika hat. In den 1960er Jahren führte ein Highschoollehrer dieses Experiment im Unterricht durch und schrieb einige Jahre später über diese Erfahrung.

In der Pause und im Anschluss an die Aufführung äußerten sich noch einige Schauspielerinnen und Schauspieler zu ihren Erfahrungen und dem Thema des Stücks. Maurice Kuhnert zeigt sich beeindruckt: „In der heutigen Zeit ist Faschismus ein großes Thema. Deshalb muss man aufpassen, dass das nicht noch einmal passiert. Das Stück zeigt, wie schnell, einfach und schlimm es ist, so einer Bewegung zu folgen.“ Moritz Dechant findet passende Abschlussworte für den Abend: „Der Nationalsozialismus ist kein Phänomen des 20. Jahrhunderts, sondern kann immer wieder auftreten.“