Die Richtigkeit dieses Sprichwortes bestätigte sich wieder einmal, als der Chor unserer estnischen Partnerschule, des Miina-Härma-Gymnasiums, zu seinem schon für das Frühjahr 2009 geplanten Besuch nach Bielefeld kam. Schon damals war alles für einen gelungenen Austausch vorbereitet: Am Ceci und Helmholtz sowie in Tartu hatten alle eifrig die Musikstücke für die Konzerte in Bielefeld einstudiert, das Programm für die Austauschwoche war festgelegt, Quartiere und Konzerträume standen zur Verfügung, als die hereinbrechende internationale Finanz- und Wirtschaftskrise alle Planungen über den Haufen warf. Das mit der globalen Wirtschaft eng verflochtene, in seinem raschen ökonomischen Aufstieg noch ungefestigte Estland wurde schwer getroffen. Unter diesen Umständen war es vielen Eltern unserer Partnerschule nicht möglich, die nicht unerheblichen Kosten für die Reise ihrer Kinder nach Bielefeld aufzubringen, sodass die Verantwortlichen am Miina-Härma-Gymnasium schweren Herzens den vereinbarten Termin im März 2009 absagen und eine Verschiebung auf das nächste Frühjahr vorschlagen mussten. Diese Entscheidungen trafen in Bielefeld auf volles Verständnis, dennoch blieb die bange Frage: Wird sich bis 2010 die Situation so bessern, dass der Austausch dann möglich ist, oder bedeutet diese Absage eine Verschiebung auf eine ungewisse Zukunft? Wird der Gedanke der Schulpartnerschaft eine solche Entwicklung unbeschadet überstehen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Alle diese Gedanken und Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Der Austausch 2010 konnte wie geplant durchgeführt werden und war ein großer Erfolg. Doch der Reihe nach.

Als am Montag, dem 15. März, mit einer angesichts der Länge der Reise akzeptablen Verspätung der Bus mit dem estnischen Chor spät abends an der Schule eintraf, wurden die Gäste schon sehnsüchtig von den Schülerinnen und Schülern des Cecilien- und des Helmholtz-Gymnasiums erwartet, die für die nächsten Tage ihre Gastgeber sein wollten.

Trotz der langen Fahrt von vollen zwei Tagen über 1800 km durch halb Europa war die Stimmung gut. Auch der dauernde Nieselregen, der noch vom Winter übrig geblieben war, konnte daran nichts ändern. Umso erfreulicher, dass schon am Dienstag der Frühling in Bielefeld Einzug hielt und sich bis zum Freitag in seiner ganzen Schönheit präsentierte. Unsere estnischen Freunde, die in einem noch tiefverschneiten Land mit Minustemperaturen aufgebrochen waren, zeigten sich so beeindruckt, dass sie ihre Vorstellungen von der Lage Bielefelds meinten revidieren zu müssen und die Stadt geographisch und klimatisch eher im Mittelmeerraum als in Mitteleuropa verorten wollten.

Die nächsten Tage waren dem Kennenlernen der näheren und weiteren Heimat gewidmet. Oberstufenschülerinnen und -schüler des Ceci organisierten eine englischsprachige Stadtführung in unserer Heimatstadt.

Am Mittwoch führte ein gemeinsamer Ausflug Gäste und Gastgeber in die westfälische Provinzialhauptstadt Münster. Im dortigen Dom kam es zu einem besonderen Höhepunkt, als die estnischen Sängerinnen und Sänger mit den Gastgebern das Lied Ärkamise aeg (Estland, du bist mein Heimatland) intonierten, das untrennbar mit der Singenden Revolution der späten 1980er Jahre, der Estland maßgeblich seine Unabhängigkeit verdankt, verbunden ist.

Der gemeinsame Vortrag dieses emotional so bewegenden Liedes stand auch am Ende des großen Konzerts am Freitagabend in der Neustädter Marienkirche, an dem die beiden Chöre und das Orchester von Ceci und Helmholtz mitwirkten. Die Zuhörer in der voll besetzten Kirche waren beeindruckt von der künstlerischen Klasse des estnischen Chores, die bei dem Vortrag von ausgewählten Werken estnischer Chormusik unter der Leitung von Kadri Leppoja in großartiger Weise deutlich wurde, und ließen sich mitreißen von der Dynamik der von den Schülern Malte Surmeier und Christian Stoffels arrangierten und dirigierten Stücke von Joel Erikson und Coldplay, um nur diese Höhepunkte aus dem Programm zu nennen.

Am Ende eines begeisternden Konzertes standen wohlverdienter, frenetischer Beifall, mehrere Zugaben und als Ausklang eines großartigen Abends eine gemeinsame Feier im Gemeindehaus, auf der auch eifrig Bilanz gezogen wurde. Das Ergebnis war eindeutig: Der Austausch war künstlerisch und menschlich ein voller Erfolg, die Partnerschaft zwischen den Schulen wurde gefestigt, der nächste Termin für Ende September 2011 in Tartu festgelegt. Fast zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung hat sich die Verbindung zwischen Ceci und Miina-Härma erneut als fest und dauerhaft erwiesen. Selbst eine Wirtschaftkrise konnte nur einen vorübergehenden Aufschub bewirken, mit dem Ergebnis, dass das Warten die Idee der internationalen Partnerschaft nur verstärkt hatte. Mit den Worten eines weiteren Sprichwortes:

„Was lange währt, wird endlich gut."

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